Die Werte, die mich seit meiner Kindheit begleiten und sich durch mein ganzes Leben hindurchziehen, die für mich am wichtigsten sind und es auch immer bleiben werden, sind Loyalität und Ehrlichkeit – also Aufrichtigkeit. Meine Eltern brachten mir bei, dass man ehrlich sein und nicht lügen soll. Mit fünfzehn war ich deutscher Meister im Ringen, später belegte ich noch zweimal den dritten Rang. Möglicherweise habe ich auch durch diesen Leistungssport erfahren, dass es diese Eigenschaften sind, die einen auf Dauer weiterbringen. Wenn man das erst mal verinnerlicht hat, dann wird einem bewusst, dass man gar nicht zu lügen braucht. Das sage ich als Anwalt für Wirtschaftskriminalität und Strafrecht. Angefangen habe ich in Paris, zur Jahrtausendwende, in einer sehr großen Anwaltskanzlei in einer Seitenstraße zur Champs Élysées. Ich war gerade sechsundzwanzig, konnte mir keine eigene Wohnung leisten und wohnte mit einer fünfundsiebzigjährigen Dame in einer Dreizimmerwohnung in einer Wohngemeinschaft im achtzehnten Arrondissement, anderthalb Stunden vom Stadtzentrum entfernt. Die Kanzlei war rund um die Uhr geöffnet, sieben Tage die Woche und die Klientel international. Schnell wurde mir bewusst, dass diese Glitzer- und Glamourwelt zwischen Hermès und Louis Vuitton nicht die meine ist. Man ist da bei der Hautevolee und bei den vermeintlich Allergrößten und den Allerschönsten und den Allerbesten – aber ich sag mir eben immer: Keiner ist der Allerbeste, keiner ist der Allergrößte, wir haben alle dieselbe Chromosomenzahl und letztendlich sitzen wir alle in einem Boot. Ich mag niemanden, der sich für etwas Besonderes hält. Im Grunde genommen ist jeder von uns einfach einer von rund acht Milliarden Menschen – ich finde, da sollte man sich etwas zurücknehmen, mit dem sich wichtig nehmen. Diese ganze Bussi-Bussi-Gesellschaft ist mir zuwider, da mache ich keinen Hehl draus. ..